Die parlamentarisch gewählten Bürgerbeauftragten der Bundesländer haben in Schwerin im Rahmen ihrer Jahrestagung vom 20. bis 21.04.2023 eine Schweriner Erklärung verabschiedet. Mit Sorge sehen sie, dass Verwaltungsverfahren in vielen Bereichen immer länger dauern und öffentliche Dienstleistungen immer mehr Zeit benötigen. Sie fordern daher einen besseren Zugang zu Behörden und ihren Dienstleistungen. Es fehlten oft noch Onlinezugänge für Amtshandlungen. Zudem fehle Personal in den Ämtern. Die Bürgerbeauftragten fordern einen umfassenden Lösungsansatz der Politik und eine gesamtstaatliche Kraftanstrengung für durchgreifende Lösungen.
Die Bürgerbeauftragte Beate Böhlen merkt hierzu an: „Auch mein Team sieht sich mit vielen Eingaben konfrontiert, welche durch den Personalmangel oder die schleppende Digitalisierung in Ämtern verursacht werden. Dabei ist vor allem in dauerhaften Krisenzeiten ein guter Zugang zu Behördendienstleistungen und eine schnelle Bearbeitung, für Bürgerinnen und Bürger ein Indikator für einen funktionierenden Staat. Was wiederrum Vertrauen in unseren demokratischen Rechtsstaat schafft.“
Gemeinsame Schweriner Erklärung der parlamentarisch gewählten Bürgerbeauftragten
Guten Zugang zu Behörden-Dienstleistungen sichern - auch in Zukunft
Eine leistungsfähige und bürgernahe Verwaltung ist für das Funktionieren und die Akzeptanz des demokratischen Rechtsstaats von herausragender Bedeutung. Insofern berühren die Entwicklungen den Kern des demokratischen Konsenses und erfüllen die Bürgerbeauftragten mit Sorge.
- Der Zugang zu den Dienstleistungen der Behörden hat sich in den letzten Jahren verschlechtert – auch durch die Corona-Pandemie. Seither sind allgemeine Öffnungszeiten stark reduziert oder gar ganz abgeschafft worden. Sprechzeiten erfordern vielfach eine Terminvereinbarung; der vereinbarte Termin liegt oft weit in der Zukunft. Der persönliche Zugang zu Bediensteten und Verwaltungsgebäuden ist stark limitiert worden. Zu einem öffentlichen Amtsgebäude gehört aber ein möglichst ungehinderter Zugang für die Öffentlichkeit.
- Auf der anderen Seite wurden Kommunikationsmöglichkeiten und Antragstellungen weiter digitalisiert; es gibt wachsende Möglichkeiten, mit wenig Aufwand öffentliche Dienstleistungen zu initiieren und zu erhalten. Dieser Weg ist richtig und nötig. Er vereinfacht und verkürzt Verwaltungsverfahren; er spart Personal, das entweder fehlt oder an anderer Stelle dringend gebraucht wird. Ein umfassender Online-Zugang zur öffentlichen Verwaltung war schon per Gesetz bis Ende 2022 vorgesehen. Dieses Ziel wurde weit verfehlt.
- Unsere Verwaltung braucht beschleunigte Digitalisierung und Vernetzung, damit sie funktionsfähig bleibt. Die Bürgerinnen und Bürger brauchen mehr und besonders nutzerzentrierten Online-Zugang zu Dienstleistungen der Behörden, damit sie besser ihre Rechte und Pflichten wahrnehmen können. Die Bürgerbeauftragten rufen gerade an diesem Punkt zu verstärkten Anstrengungen der öffentlichen Träger auf.
- Auf der anderen Seite dürfen die Menschen nicht vergessen werden, die technisch und persönlich für mehr digitale Teilhabe nicht gerüstet sind. Menschen, die im persönlichen Gespräch erfahren möchten, ob sie ein Formular richtig verstanden haben. Menschen, die nicht in der telefonischen Warteschleife auf eine Terminvereinbarung warten wollen. Der niedrigschwellige persönliche Kontakt zu Behörden und Ämtern muss für alle weiterhin möglich sein. Für dringende Angelegenheiten gilt das besonders.
- Die Bürgerbeauftragten sehen mit Sorge, dass Verwaltungsverfahren in vielen Bereichen immer länger dauern und Amtshandlungen und Dienstleistungen ansteigend mehr Zeit benötigen. Öffentliche Aufgaben werden mehr und komplexer, während es Behörden und öffentlichen Einrichtungen immer weniger gelingt, alle Stellen mit geeigneten Personen zu besetzen, auch weil die erwerbsfähige Bevölkerung schrumpft. Die Indikatoren für eine funktionierende Verwaltung verschlechtern sich merklich.
- Die Bürgerbeauftragten können keinen umfassenden Lösungsansatz der Politik für die Träger öffentlicher Verwaltungen für dieses grundlegende Problem erkennen. Viele Institutionen kämpfen nur für sich. Standardisierungen, Aufgabenkritik, Automatisierungen, Entbürokratisierungen können Teilantworten sein – und natürlich eine bürgerorientierte Fehlerkultur. Gerade hier sind die Bürgerbeauftragten bereit, an Verbesserungen mitzuarbeiten. Aber durchgreifende Lösungen sind nur als gesamtstaatliche Kraftanstrengung zu finden.
Schwerin, den 21.04.2023
Beate Böhlen – Bürgerbeauftragte des Landes Baden-Württemberg mit Zuständigkeit für die Landespolizei
Dr. Alexander Oerke – Bürger- und Polizeibeauftragter des Landes Berlin
Matthias Crone – Bürgerbeauftragter des Landes Mecklenburg-Vorpommern
Barbara Schleicher-Rothmund - Bürgerbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragte für die Landespolizei
Samiah El Samadoni – Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein und Beauftragte für die Landespolizei
Dr. Kurt Herzberg – Bürgerbeauftragter des Freistaats Thüringen