Verständnis schaffen - auf beiden Seiten
Ein Mann fährt alkoholisiert Auto, zwei Polizeibeamte halten ihn an, lassen ihn ins Röhrchen pusten und nehmen ihn für eine Blutprobe mit aufs Revier. So weit, so unspektakulär. Wäre da nicht die verstörte Ehefrau auf dem Beifahrersitz. Zwar versuchen die beiden Beamten noch, einen Verwandten zu verständigen, lassen die Frau dann aber alleine im Auto zurück. Denn sie schätzen das Ausmaß ihrer Verstörung schlicht nicht richtig ein – und das hat Folgen.
Achtung, Sprachbarriere! Manchmal geht es „nur“ darum, die Hilflosigkeit eines Menschen zu erkennen. Und darum, andere auf die eigene Hilflosigkeit aufmerksam zu machen. Im Nachhinein lässt sich auch in solchen Fällen manches Missverständnis ausräumen und eine noch höhere Sensibilität für künftige Vorkommnisse schaffen.
Das Problem in jener Nacht im Juni 2023 war, dass die Ehefrau, wir nennen sie Frau H, sich plötzlich hilflos, verlassen und verloren fühlte und das nicht zum Ausdruck bringen konnte. Das schildert uns Frau Hs Tochter wenige Tage nach dem Vorfall und nennt uns auch den Grund: Frau H ist nicht in Deutschland aufgewachsen, sie kann weder Deutsch sprechen noch Auto fahren und habe sich in jener Situation absolut überfordert gefühlt. Zwar konnten die Polizeibeamten wenig später doch noch einen Verwandten erreichen. Frau H blieb bis dahin jedoch alleine am Ort der Kontrolle zurück und durchstand bis zum Eintreffen des Verwandten viele angstvolle Minuten – eine Erfahrung, die sie bis heute sehr mitnehme.
In Absprache mit Frau H und ihrer Tochter wenden wir uns an das zuständige Polizeipräsidium. Als wir den Fall bei einem persönlichen Treffen mit dem Polizeipräsidenten ansprechen, regt dieser einen direkten Austausch zwischen der Betroffenen und dem zuständigen Revier an. Anfang Oktober setzen sich die Revierleitung und Frau Hs Tochter in unseren Räumen zusammen. Im gemeinsamen Gespräch kann die Tochter die Situation aus Sicht der Mutter darstellen und der Polizei erklären, weshalb sie für ihre Mutter so belastend war. Das stößt auf Verständnis. Andererseits bekommt auch die Tochter nachvollziehbar erklärt, warum es den Polizeibeamten damals nicht möglich war, Frau H nach Hause zu fahren.
Auch das Hauptproblem wird bei dem Gespräch schnell deutlich: Es war für die Beamten nicht zu erkennen, dass die Situation Frau H derart belastet und überfordert hat, weil sich Frau H gegenüber den Beamten nicht äußerte. Die Revierleitung betont, dass vor allem die beteiligte Beamtin sich in vielen Einsätzen bereits als besonders empathisch erwiesen habe und auf die Ängste der Frau sicher eingegangen wäre, wenn sie diese erkannt hätte. Deshalb nehme die Revierleitung gerne diesen neuen Eindruck mit und kündigt uns und der Tochter gegenüber an, die Beamtinnen und Beamten mit Verweis auf diesen speziellen Vorfall noch einmal zu sensibilisieren.
Frau Hs Tochter gibt uns die Rückmeldung, sie sei froh, dass sie die Sicht ihrer Mutter darstellen und dadurch zu einer weiteren Sensibilisierung beitragen konnte.
Kann ja mal passieren: Aufgrund einer recht vagen Zeugenaussage behandeln Polizeibeamte den Falschen wie einen Verbrecher, verschaffen sich Zutritt zu seiner Wohnung und machen ihm klar, dass sie ihm mal so gar nichts glauben. Der Verdächtigte fühlt sich durch unangemessene Äußerungen der Polizeibeamten verhöhnt und verspottet. Selbst wenn die Beamtinnen und Beamten für das Vorgehen einen guten Grund gehabt haben mögen: Eine Erklärung und eine Entschuldigung für den Umgangston wären unmittelbar nach dem Abschluss der Maßnahmen das Mindeste gewesen. Zudem hatten die beteiligten Polizeibeamt*innen im Nachhinein eine kollektive Erinnerungslücke bezüglich des eigenen Auftretens. Ein Fall, der darauf schließen lässt, dass es mit der von der Polizei angestrebten „Fehlerkultur“ noch hapert.
Ungenügende Fehlerkultur bei der Polizei: Gab es einen eindeutigen Verstoß, ein übergriffiges Verhalten, einen etwas unangemessenen Umgangston? Von der Lappalie bis zum schweren Lapsus reichen die möglichen Fehler im Gebaren und Kommunizieren unserer Polizeibeamt*innen gegenüber den Bürger*innen. Wenn bei Beschwerden über Polizeibeamte von der Polizei jedoch nur „gemauert“ wird, ein kollektives Schweigen sowie ein pauschales Zurückweisen reflexhaft einsetzen, wird es schwierig mit einer transparenten Aufarbeitung. Die Fähigkeit, Fehler überhaupt einsehen zu können, ist wichtiger denn je. Der Wandel muss von der Spitze der Polizei entsprechend gelebt werden.
Was ist in diesem Fall konkret passiert? Herr P, ein junger Mann, beschwert sich im Juni 2022 bei der Bürgerbeauftragten, dass er von der Polizei festgehalten und seine Wohnung durchsucht worden sei. Zugetragen hat sich der Vorfall aus seiner Sicht so: Gegen fünf Uhr morgens wird er von lauten Stimmen vor dem Haus geweckt, er schaut aus dem Fenster, sieht viele Polizeifahrzeuge. Dann klingelt es. Er drückt auf den Knopf der Sprechanlage, aber niemand antwortet. Er tritt vor die Wohnungstür. Weil er auf der Treppe niemanden sieht, geht er ein Stockwerk nach unten und stößt dort auf rund zehn Polizistinnen und Polizisten. Sofort legen mehrere die Hand auf ihr Holster und einer ruft: „Ah, das ist er! Die Beschreibung passt!“ Herr P hat Pech: Er ist zwischen 18 und 25 Jahre alt, trägt ein weißes T-Shirt und eine schwarze Trainingshose – das kommt in etwa hin. P wird sehr unfreundlich gebeten, in die Mitte der Einsatzkräfte zu treten.
Ein Beamter durchsucht ihn. Auf die Erklärung des P, was er denn um die Zeit im Hausflur zu suchen habe, begegnet der Beamte ihm mit Hohn. Das verunsichert den übermüdeten P, er wird erst nervös, dann panisch, auch weil ihm niemand sagt, was ihm vorgeworfen wird. Er hat das Gefühl, wie ein Verbrecher behandelt zu werden. Auf die Frage, warum er denn so aufgebracht sei, antwortet er, dass ihn die Situation und die Polizei verunsichern. Der Beamte lacht ihm ins Gesicht: Er solle doch einfach die Wahrheit sagen!
P wird aufgefordert, sich auszuweisen. Weil er seinen Ausweis nicht bei sich hat, bietet er an, ihn aus der Wohnung zu holen. Der Beamte sagt: „Wir kommen mit!“ P schließt seine Tür auf, darf aber nicht mit in das Appartement. P empfindet das Eindringen des Polizisten in seine Wohnung als unerlaubt und übergriffig, er protestiert. Ps anschließende Beschreibungen, wo der Ausweis zu finden ist, ignoriert der Beamte und durchsucht stattdessen seine Sachen und Papiere auf Schreib- und Beistelltisch. Nach ein paar Minuten darf P in Begleitung von zwei Beamten in die Wohnung und übergibt sein Portemonnaie samt Ausweis. Fast zeitgleich öffnet sich die Tür der benachbarten Wohnung, sein Nachbar schaut heraus, eine Polizistin ruft: „Oh, der passt ja sogar noch besser!“ Die Polizisten wenden sich sodann dem Nachbarn zu.
Herr P beschwert sich bei uns insbesondere darüber, dass er von dem Beamten, der ihn rund 15 Minuten lang respektlos behandelt und sich über ihn lustig gemacht habe, keine Entschuldigung erhalten hat. Ein anderer Beamter, der deutlich höflicher gewesen sei, habe sich mit der Begründung bei ihm entschuldigt, dass sie (die Polizei) hätten „sichergehen müssen“. Dass eine so vage Täterbeschreibung ausgereicht habe, um in seine Privatsphäre einzudringen, empört Herrn P. Zudem sei eine Wohnungsdurchsuchung zur Nachtzeit laut Polizeigesetz nur unter bestimmten Bedingungen möglich, und das Einwerfen von Autoscheiben – das war die Tat, derer er verdächtigt wurde – reiche dafür nicht aus.
Wir bitten die Polizei, Herrn Ps Schilderungen zu überprüfen und den Vorgang zu bewerten. Wir bitten um Informationen darüber, wie die Vorgaben für derartige Einsätze aussehen. Und wir wollen wissen, ob die zuständige Revierleitung bereit wäre, mit Herrn P ein klärendes Gespräch zu führen. Hierzu hatte sich dieser grundsätzlich bereit erklärt, wolle dies aber von der Antwort der Polizei abhängig machen.
Im Juli 2022 antwortet uns die Polizei und bestätigt dabei im Wesentlichen die Abläufe, die bereits Herr P beschrieben hatte. Was den Vorwurf der Wohnungsdurchsuchung angeht, zeichnet die Polizei jedoch ein anderes Bild: Nach dem Öffnen der Tür durch Herrn P sei in der Ein-Zimmer-Wohnung ein ca. 30 Zentimeter langes Küchenmesser neben dem Kopfkissen und in einem Regal eine Gasmaske gesichtet worden. Man habe dies als mögliche Gefahrenquellen identifiziert. Aus diesem Grund habe ein Beamter ohne Herrn P die Wohnung betreten. Auch habe es sich zu keinem Zeitpunkt um eine Durchsuchung gehandelt, sondern nur um die Suche nach dem Ausweis, der dann auch dank der verbalen Hinweise von Herrn P gefunden werden konnte. Zunächst habe Herr P jedoch einen falschen Aufbewahrungsort seines Ausweises beschrieben. Herr P habe jederzeit Einblick in seine Wohnung gehabt.
Der Vorwurf eines respektlosen Verhaltens der Beamten lasse sich im Nachgang nicht mehr feststellen. Das Empfinden, ob ein solches Verhalten vorgelegen habe, sei zudem immer sehr individuell und subjektiv geprägt. Aus den Stellungnahmen der Beamten wie auch aus unserem Beschwerdeschreiben gehe hervor, dass die Beamten Herrn P schließlich die Maßnahmen erläutert und sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigt hätten.
Ein Ermittlungserfolg um jeden Preis entspreche nicht der Arbeitsethik der Landespolizei. Es sei stets unbefriedigend, wenn, wie im Fall von Herrn P, ein unbescholtener Bürger von Maßnahmen tangiert werde. Dies lasse sich jedoch auch bei größter Sorgfalt und Abwägung der Maßnahmen nicht immer vermeiden.
Abschließend heißt es: „Sollten für Herrn P nach unserer Stellungnahme noch Fragen offen oder das Vertrauen in die Polizei beschädigt sein, so wäre es uns ein großes Anliegen, diese Zweifel in einem persönlichen Gespräch mit ihm und den eingesetzten Beamten auszuräumen. Wir würden uns freuen, wenn er dieses Angebot annehmen würde.“
Wir schildern Herrn P ausführlich die Darstellung der Polizei und teilen ihm mit, dass es ganz und gar nicht zufriedenstellend ist, dass die Polizei insbesondere den Vorwurf des respektlosen Verhaltens nicht mehr aufklären konnte. Daraus lesen wir, dass sich niemand erinnern möchte und eine kollektive Erinnerungslücke vorhanden ist. Wir informieren ihn, dass wir die Polizei darauf hinweisen, dass eine Aufklärung sehr wohl möglich wäre – jedoch davon abhängt, ob die Beamtinnen und Beamten bereit sind, Fehler im Umgang mit Bürger*innen zuzugeben und sich dafür auch zu entschuldigen. Stichwort: „ungenügendes Fehlermanagement bei der Polizei“. Wir empfehlen Herrn P, das Gesprächsangebot der Polizei anzunehmen, und bieten an, ihn zu dem Gespräch zu begleiten.
In Bezug auf die Maßnahmen teilen wir Herrn P mit, dass es primär nicht um Maßnahmen nach dem Polizeigesetz ging, wie er angenommen hatte, sondern um Maßnahmen der Strafverfolgung. Das Polizeigesetz kommt zum Einsatz, wenn es um eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geht. Hier sei es jedoch um die Verfolgung eines Verdächtigen gegangen. Da in seinem Fall die Identitätsfeststellung auf die Sorge vor dem Einsatz des Messers gestoßen ist, hat ein Beamter unter mündlicher Anleitung den Personalausweis gesucht. Das erscheint uns sachgerecht und zugleich als mildestes Mittel, auch unter dem Aspekt der Eigensicherung. Abgesehen davon, dass Herr P mit dem Umgangston nicht einverstanden war und ihn als respektlos empfand, schätzen wir das Handeln der Polizei grundsätzlich als rechtmäßig ein.
Leider waren weitere Vermittlungsversuche und insbesondere ein moderiertes Gespräch nicht möglich, da Herr P nicht mehr reagierte. Der Polizei teilten wir unsere Einschätzung, wie wir sie auch Herrn P gegeben hatten, mit. Kurz zusammengefasst: Die Maßnahmen der Polizei waren grundsätzlich in Ordnung, nicht aber der Umgang mit Herrn P. Dessen Schilderungen halten wir für sehr überzeugend – die kollektive Erinnerungslücke der Einsatzkräfte hingegen nicht. Fazit: Es bleibt der Eindruck zurück, dass hier eine Mauer des Schweigens einen offeneren Umgang mit Fehlern unterbunden hat.
Der Vorsitzende eines Angelsportvereins, hier heißt er Herr F, steht in Konflikt mit der Fischereigenossenschaft. Sie ist für den Fischbesatz und die Fischhege in seiner Region zuständig. Der Kern des Konflikts: Die Fischereigenossenschaft will Unterlagen über die in den Fluss eingesetzten Fische nicht an die ansässigen Angelsportvereine herausgeben. Und das hat Brisanz. Denn Herr F hat den Verdacht, dass Fische eingesetzt wurden, die nicht in der Region heimisch sind, sondern aus dem Einzugsbereich eines anderen Flusssystems stammen. Weil sich die Fische genetisch unterscheiden und die Gefahr droht, das biologische Gleichgewicht in den Biosphären durcheinanderzubringen, ist aber genau dies verboten.
Will die Fischereigenossenschaft mit ihrer Auskunftsverweigerung verschleiern, dass sie sich nicht an die Besatzregeln gehalten hat, fragt sich Herr F. Neben den Unterlagen hierzu verlangt er im Februar 2022 außerdem Einsicht in die Gesundheitszeugnisse der eingesetzten Fische. Aus ihnen lässt sich schließen, ob ein Zuchtbetrieb in ausreichendem Maße versucht hat, die Ausbreitung von Fischseuchen zu verhindern. Doch auch dies wird Herrn F verwehrt, und auch dies zu Unrecht.
Denn als Herr F seine beiden Auskunftsbegehren einreicht, bezieht er sich ausdrücklich auf Paragraf 24 des Umweltverwaltungsgesetzes Baden-Württemberg. Demnach hat prinzipiell jede Person Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt. Das Interesse daran muss man nicht einmal begründen. Die Genossenschaft hätte Herrn F also sehr wahrscheinlich Auskunft geben müssen. Dennoch hat sie die Frist, die das Gesetz dafür vorsieht, zunächst ignoriert.
Herr F beschwert sich beim Regierungspräsidium und dem zuständigen Ministerium. Schließlich wendet er sich im Mai 2022 an das Team der Bürgerbeauftragten. Er schildert uns, welche Schritte er unternommen und dass er dabei kaum Unterstützung erfahren hat. Im Gegenteil: Herr F sagt uns, er habe das Gefühl, dass man ihn inzwischen allseits als Querulanten abstempelt und seine Anfragen einfach ins Leere laufen lässt.
Als Nörgler abgestempelt ... Dieser Fall zeigt, wohin der Unwille zum Abrücken von einer vorgefertigten Meinung der Verwaltung führen kann. Ein sehr wahrscheinlich bestehender Informationsanspruch wird nicht ausreichend geprüft, und eine Behörde geht einem begründeten Verdacht nicht ausreichend nach.
Wir nehmen mit den direkt betroffenen Behörden Kontakt auf, die aber zunächst keine klare Stellungnahme abgeben. Nach ersten Recherchen ergibt sich für uns eine rechtlich verworrene Situation – Herrn Fs Anspruch auf Auskunft aber halten wir auf jeden Fall für begründet. Wir informieren den ersten Landesbeamten des betroffenen Landratsamts, zwei Ministerien und das zuständige Regierungspräsidium. Letzteres leitet schlussendlich ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Und dieses ergibt, dass tatsächlich ein Verstoß gegen die Besatzregeln vorliegt – wie von Herrn F vermutet, waren Fische aus einem anderen Flusssystem eingesetzt worden.
Eine Klärung der Situation, auch für die Zukunft, konnte leider bis zuletzt nicht erreicht werden. Zwar liegt es nach unserer Einschätzung nahe, dass Herrn F der Informationsanspruch zusteht – wie übrigens jeder Bürgerin und jedem Bürger (siehe Infobox). Dies hängt jedoch maßgeblich von der Frage ab, ob die Fischereigenossenschaft eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Das Regierungspräsidium kam nun jüngst zum Ergebnis, es handele sich zwar um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, diese unterstehe jedoch keiner staatlichen Aufsicht. Um diesen neuen Ablehnungsgrund prüfen zu lassen, müsste nun erneut Widerspruch eingelegt werden – der Betroffene steht wieder ganz am Anfang. Außerdem hätte diese Prüfung bereits ganz zu Beginn der Problematik, vor über einem Jahr, durchgeführt werden müssen. Die Verfahrensdauer ist für ein rechtsstaatliches Handeln nicht nachvollziehbar und nicht vertrauenserweckend. Wir werden Herrn F weiterhin zur Seite stehen.
Umweltinformationen anfordern – gewusst wie
Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg erklärt auf seiner Internetseite „Wie beantrage ich Umweltinformationen?“, wer ein Anrecht auf Auskunft hat und wie man hierzu vorgeht:
„Interessierte Bürgerinnen und Bürger haben nach dem Paragrafen 22 und den nachfolgenden des Umweltverwaltungsgesetzes (UVwG) das Recht, bei informationspflichtigen Stellen den Zugang zu Umweltinformationen zu verlangen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, über diverse Online-Angebote des Landes Umweltinformationen einzusehen. Informationspflichtig sind die Landesregierung (ausgenommen sind Tätigkeiten im Rahmen der Gesetzgebung), die öffentliche Verwaltung, öffentlich beratende Gremien und natürliche und juristische Personen des Privatrechts, sofern sie umweltbezogene öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder entsprechende Dienstleistungen erbringen und der Kontrolle der öffentlichen Hand unterliegen.
Um Informationen zu erhalten, müssen Sie einen Antrag bei einer informationspflichtigen Stelle einreichen. Dieser Antrag bedarf keiner besonderen Form, er kann deshalb beispielsweise auch elektronisch gestellt werden. In Ihrem Antrag müssen Sie konkretisieren, welche Informationen Sie in welcher Form erhalten möchten. Sie haben die Möglichkeit, Akten vor Ort einzusehen oder die Übermittlung von Auskünften zu verlangen. Der Antrag muss nicht begründet werden.
Der Begriff der Umweltinformation ist sehr weit gefasst. Hierunter fallen beispielsweise Informationen aus den Bereichen Boden, Wasser, Luft, Landschaft, Artenvielfalt, gentechnisch veränderte Organismen, Energie, Strahlung oder Lärm, wobei diese Aufzählung nicht abschließend zu verstehen ist.“
Weitere Hinweise, auch zu Fristen und Gebühren, finden sich auf www.um.baden-wuerttemberg.de –bitte hierzu die Suchbegriffe „Teilhabe am Umweltschutz“ und „Umweltinformationen beantragen“ ins Suchfeld eingeben.
Ein türkischer Staatsbürger lebt seit vielen Jahren in Deutschland, betreibt einen kleinen Laden und fliegt eines Tages mit seinen beiden kleinen Töchtern für zwei Wochen in die Türkei. Die Reise endet in einem Drama, denn ihm wird plötzlich die Rückkehr verweigert.
Alle Hebel in Bewegung: Dieser Fall zeigt, wie zügig eine Behörde handeln kann, wenn es genau darauf ankommt. Er zeugt von Mitgefühl und großer Hilfsbereitschaft.
Eine tragende Rolle kommt in diesem Fall der Mutter und geschiedenen Ehefrau zu. Wir nennen sie Frau T. Am Mittwoch, 6. September 2023 erreicht uns deren E-Mail, aus der wir im Folgenden zitieren – sie fasst die Abläufe gut zusammen und zeigt eindrücklich den Ernst der Lage und die große Verzweiflung. Eingangs bittet Frau T darum, ihr Schreiben auch als genau das zu lesen: als das Anliegen einer verzweifelten Mutter. Sie berichtet:
Vor Monaten schon hat mein Exmann und Vater meiner Kinder mit meiner Unterstützung eine Verlängerung seines Aufenthaltstitels beantragt. Als sehr lange keine Rückmeldung kam, bin ich zur Ausländerbehörde gegangen habe nachgefragt. Eine Mitarbeiterin meinte, dass eine Fiktionsbescheinigung verschickt wurde. Als ich den Zugang verneinte, veranlasste sie eine erneute Zusendung. (Eine Fiktionsbescheinigung ist eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis, die so lange gilt, bis der eigentliche Antrag geprüft und beschieden ist.)
Meine Kinder sind 4 Jahre und 2,5 Jahre alt und haben ihre Familie väterlicherseits bisher nicht kennengelernt. Wir wollten alle zusammen reisen und haben schon im Mai den Flug in die Türkei gebucht. Aber eine Woche vor dem Abflug riet mir mein Hausarzt ab, da ich von einer chronischen Erkrankung betroffen bin und sich plötzlich verschiedene Krankheitssymptome zeigten. Ich wollte meinen Kindern und der Familie väterlicherseits dieses Kennenlernen nicht nehmen, blieb hier und die Kinder reisten allein mit ihrem Vater. Meine Kinder sind zum ersten Mal so lange von mir getrennt.
Mitte Juli wird Frau T klar, dass es bei der Rückreise ein Problem geben könnte. Denn die Fiktionsbescheinigung ihres Ex-Manns läuft am 4. September aus, der Rückflug datiert aber auf den 5. September frühmorgens. Also fragt sie Mitte Juli bei der Ausländerbehörde nach: Ob es deswegen Probleme geben wird? Man gibt ihr grünes Licht. Trotzdem hat sie ein mulmiges Gefühl, und so ruft sie Ende August ein zweites Mal an.
Mir wurde gesagt, das mache nichts, er würde höchstens nach der Landung vom Zoll in Frankfurt zur Seite gezogen und dann würde die ab 8 Uhr besetzte Ausländerbehörde angefragt und es würde kein Problem werden.
Auf diese Aussagen hat sich Frau T verlassen. Doch es kommt anders:
Meine Kinder sind deutsche Staatsangehörige, gestern früh um 2 Uhr mussten sie nach stundenlanger Fahrt zum Flughafen wieder zurückfahren. Sie durften nicht nach Deutschland zurückfliegen. Die Fluglinie hat entschieden, weder den Vater noch meine Kinder für den Rückflug zuzulassen. Anrufe bei der Polizeidienststelle in Frankfurt am Flughafen: Am Schluss sagte mir ein Polizist, dass die Anfrage abgelehnt wurde, da der Flughafen vom Abflugort die Anfrage erst nach 0 Uhr gestellt habe. Der Vater meiner Kinder durfte aber erst ab 1 Uhr zur Kontrolle (Abflugzeit war 3:15 Uhr).
Meine gestrigen Anrufe bei den Botschaften, Konsulaten, beim Auswärtigen Amt und der Ausländerbehörde scheiterten. Eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde, mit der ich dann kurz nach 12 Uhr sprach, wollte unserer Sachbearbeiterin alles auf den Tisch legen und sagte mir zu, dass diese sich bei mir melden wird. Es kam weder eine E-Mail, noch ein Anruf.
Ich weiß, dass viel zu tun ist, aber bei so einem Notfall hätte ich mir zumindest für meine Kinder eine Hilfe, zumindest ein Ohr, das sich angesprochen fühlt, gewünscht.
Sie erfährt, dass ihr Ex-Mann nach Istanbul oder Ankara zur deutschen Botschaft reisen solle, um einen Termin zu bekommen, bei dem er ein Visum beantragen kann. Wie soll er das machen, fragt Frau T, mit zwei Kleinkindern, die nur ihn als Bezugsperson haben, er müsste sie überallhin mitnehmen. Und dann noch eine Unterkunft für unbestimmte Zeit suchen? Frau T drängt auf eine schnellere Lösung:
Die Fiktionsbescheinigung im Original hat mein Ex-Mann bei sich. Bitte stellen Sie, wenn nötig, eine Verlängerung aus. Ich hole sie sehr gerne sofort ab und verschicke sie per Express.
Bitte geben Sie mir eine Hilfestellung und sagen Sie mir, was ich machen kann? Die Existenz meines Ex-Mannes ist in Gefahr. Er hat sich mit Mühe und Not ein Standbein aufgebaut und bezieht nichts vom Staat. Jeder weitere Tag, den der Laden zubleiben muss, ist ein Verhängnis. Meine beiden Kinder möchten zu mir und meine körperliche und seelische Belastungsgrenze ist erreicht. Ich bitte Sie, egal wen, mit der Bitte, dass sich jemand angesprochen fühlt, mich unter der 017(...) anzurufen oder mir zu antworten.
Frau A schließt mit dem Hinweis, dass ihre Mail keine Beschwerde sein soll. „Ich möchte meine Kinder zurück und deren Vater wohlbehalten wieder hier!“ Es ist ein SOS-Ruf, eine dringende Bitte um sofortige Hilfe.
Nachdem wir das Schreiben gelesen haben, rufen wir direkt bei Frau T an. Es ist besetzt. Nach wenigen Minuten ruft sie zurück, wir stellen uns vor und bieten unsere Hilfe an. Doch Hilfe ist schon unterwegs – Frau T freut sich über alle Maßen und berichtet uns, dass innerhalb kürzester Zeit alle Angeschriebenen bei ihr angerufen haben.
Die schnellsten Anrufer waren auch die wichtigsten: Die Ausländerbehörde hat sofort alles in die Wege geleitet, damit Vater und Kinder bereits am darauffolgenden Tag zurückfliegen konnten. Die Mitarbeiterinnen haben ihr Mitgefühl zum Ausdruck gebracht und Frau T die Gewissheit gegeben, alles dafür zu tun, dass sie ihre beiden Töchter bald wieder in die Arme schließen kann. Wir finden diese Behördenleistung außerordentlich. Wir möchten, dass sie publik wird, und haben diesen Fall deshalb in unseren Jahresbericht aufgenommen.
In einer außergewöhnlichen und besonders vertrackten Lage fand sich eine ältere Dame wieder, als sie ihren Pass verlängern wollte und erfuhr: Sie ist eventuell gar keine Deutsche mehr. Sondern Tschechin. Aber vielleicht auch keins von beidem. Die Frau fiel aus allen Wolken – und landete vor einem riesigen Problem.
Doppelpass? Doppeltes Netz! Einer Bürgerin drohte der Verlust ihrer deutschen Staatsbürgerschaft und sie fürchtete, staatenlos zu werden. Ein Fall für das Europäische Netzwerk ENO und das baden-württembergische Innenministerium.
Die ältere Dame, nennen wir sie Frau D, wächst in Deutschland als deutsche Staatsbürgerin auf und hat auch nie woanders gelebt. Ihre Eltern stammen aus der heutigen Tschechischen Republik und laut ihrer Geburtsurkunde war sie zunächst auch im Besitz der tschechischen Staatsangehörigkeit. Im Jahr 2004 besucht Frau D die frühere Heimatstadt ihrer Eltern in Tschechien. Die Suche nach ihren Wurzeln führt sie auch ins dortige Rathaus, wo sie die Geschichte ihrer Eltern und auch ihre eigene Lebensgeschichte erzählt. Prompt erhält sie ein Dokument, dem sie zunächst keine größere Bedeutung zuschreibt. Was ihr zu diesem Zeitpunkt nicht klar ist: Dieses Dokument stellte ihre (vermeintliche) tschechische Staatsbürgerschaft fest.
18 Jahre später, im Juli 2022, zeigt Frau D das Dokument beim Landratsamt vor. Denn sie will dort ihren Pass verlängern lassen und dabei die Gelegenheit nutzen, zu klären, was dieses Schreiben eigentlich zu bedeuten hat. Die Behörde deutet das Dokument so: Frau D hat 2004 die tschechische Staatsbürgerschaft beantragt – und damit automatisch ihre deutsche Staatsbürgerschaft verloren. Das entspricht auch der damaligen Rechtslage, denn sogenannte Doppelpässe waren damals nicht möglich. Frau D ist entsetzt: Niemals wäre sie auf die Idee gekommen, dass sie mit dem kurzen Gespräch im tschechischen Rathaus die Wiedererlangung ihrer tschechischen Staatsbürgerschaft veranlasst hat. Und nie hätte sie damit gerechnet, dass sie vor 18 Jahren ihre deutsche verloren haben könnte!
Das Landratsamt verweist sie ans Generalkonsulat der Tschechischen Republik: Dort solle sie einen Ausweis beantragen. Das tschechische Konsulat erklärt ihr, das besagte Dokument alleine sei noch kein Beleg dafür, dass sie tatsächlich Tschechin ist – sie müsse ein Verfahren zur Überprüfung ihrer Staatsbürgerschaft beantragen. Dieses Verfahren stellt Frau D jedoch vor unlösbare Probleme: Viele Passagen der tschechischen Antragsformulare versteht sie nicht. Sie kann nicht alle geforderten Dokumente beibringen. Und schließlich ist es ihr aufgrund ihrer geringen Rente nicht möglich, die Kosten für die offiziellen Übersetzungen zu tragen. In dieser Situation – zwischen allen Stühlen und ohne Ausweisdokumente – wendet sich Frau D im Januar 2023 an das Team der Bürgerbeauftragten. Sie erzählt uns von ihrer Reise im Jahr 2004 und versichert glaubhaft: Weder ist sie damals über ein etwaiges Staatsbürgerschaftsverfahren informiert worden, noch hat man ihr mitgeteilt, dass sie darüber ihre deutsche Staatsbürgerschaft verlieren könnte.
Wir erörtern zunächst die Lage, insbesondere die schwierige Rechtslage, mit dem zuständigen Landratsamt. Die Behörde bemüht sich zwar sehr, eine Lösung zu finden, doch auf deutscher Seite scheint das Staatsbürgerschaftsrecht keinen Spielraum zu lassen. Welche Verfahren die tschechische Seite durchführt, ist unklar. Deshalb setzen wir uns mit dem tschechischen Konsulat in Verbindung und als man dort seinerseits auf zwingende Verfahren verweist, mit dem tschechischen Ombudsmann. Mit ihm steht die Bürgerbeauftragte bereits über das ENO-Netzwerk in Kontakt. Doch auch dieser Weg führt nicht weiter.
Wir ziehen das Bundesverwaltungsamt hinzu – aber auch dort kann man Frau D nicht helfen. Schließlich wenden wir uns an das baden-württembergische Innenministerium. Die dortigen Beamtinnen und Beamten stufen Frau Ds Fall ebenfalls als rechtlich sehr komplex ein und führen eine umfassende Prüfung durch. Nach Monaten quälender Ungewissheit kann dann mithilfe des Ministeriums doch noch eine Lösung gefunden werden – im November 2023 bekommt Frau D endlich ihren deutschen Pass zurück.