Gerechtigkeit hinter Gittern
Ein Mann ist zu zwei Jahren Haft verurteilt worden und verbüßt seine Tat im offenen Strafvollzug. Er geht jeden Morgen brav zur Arbeit und erfährt aus heiterem Himmel: Schluss damit, Sachen packen, es geht in ein Gefängnis ohne offenen Vollzug, jetzt sofort. Warum? Weil er sich mit seinen Mitgefangenen nicht vertragen würde und dadurch Fluchtgefahr bestehe. Er protestiert und auch die Mithäftlinge wollen ihn nicht gehen lassen. Er legt Widerspruch ein, will eine gerichtliche Überprüfung des Beschlusses. Die wird Monate später abgewiesen mit der Begründung: Inzwischen sei er aus der Haft entlassen. Er habe also nichts mehr davon, wenn ein Gericht – vielleicht – bestätigen würde, dass der Entzug des offenen Vollzugs unangemessen war. Also Antrag abgelehnt, 300 Euro fällig für die Verfahrenskosten. Erst leidet der Mann viele Monate lang im geschlossenen Vollzug und dann ein solches Ende der Geschichte? Das ist nicht gerecht, meint er, hofft auf uns – und auch wir können es nicht richten. Jetzt hat der Mann eine Petition eingereicht.
Ungerecht kann es werden, wenn ein Strafgefangener Probleme macht und die gefundene Lösung zwar sehr praktikabel, aber nicht angemessen ist. Ein Fall für das Team der Bürgerbeauftragten – das aber nach etlichen Anläufen, Gerechtigkeit für den Ex-Häftling zu erreichen, nur noch einen Weg sieht: den Gang vor den Petitionsausschuss.
Der Mann – wir nennen ihn Herrn G – ist bestimmt kein unkomplizierter Mensch. Als er im Februar 2020 eine zweijährige Haftstrafe antreten muss, lautet die ärztliche Empfehlung: Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt (JVA) mit höchstens einer, nicht mehreren Personen. Das ist im offenen Vollzug gewährleistet und auch sonst spricht nichts dagegen, dass Herr G tagsüber arbeiten geht. Er bekommt Psychopharmaka – andere als vor Beginn seiner Haft und, wie G und seine Hausärztin später monieren, abhängig machende. Aber er macht seine Arbeit gut, macht sogar Überstunden, fast ein halbes Jahr lang ist alles in Ordnung. Im Vollzugsplan vom 1. September 2020 sind Probleme mit Mitgefangenen und Fluchtgefahr kein Thema, im Gegenteil: Alles laufe in geregelten Bahnen, man ist mit G und seinem Betragen zufrieden.
Bis Herr G eines nachts, es ist der 6. September, Streit mit seinem Zellengenossen bekommt. Der geht G hart an, G ruft den Wachmann zu Hilfe und dieser meldet den Vorfall. Prompt bekommt G zwei Tage später den Bescheid: Es habe mehrfach Probleme mit Mitinsassen gegeben, er müsse einzeln untergebracht werden (was in dieser JVA nicht möglich ist) und es bestehe Fluchtgefahr. Fazit: Er sei für den offenen Vollzug nicht geeignet. Also folgt noch am selben Tag die Verlegung in ein anderes Gefängnis – und in den geschlossenen Vollzug.
Anfangs wird Herr G auch dort nicht einzeln untergebracht, doch diesbezüglich macht er keine Probleme. Aber er selbst hat ein Problem: Er leidet, es geht ihm psychisch und gesundheitlich nicht gut. Er vermisst die Arbeit im offenen Vollzug und seine dortigen Mithäftlinge. Die ihm am 12. September schreiben: Er solle sich nicht unterkriegen lassen und werde hoffentlich bald zurückverlegt, „wir denken an dich. Deine Freunde“, ein gutes Dutzend haben unterschrieben. Alles andere als ein Indiz dafür, dass G gemeinschaftsunfähig ist, wie ihm eine Amtsärztin am 7. September auf Basis einer medizinischen Untersuchung attestiert hatte. Doch G war an jenem Tag gar nicht bei ihr gewesen und später war von einer Untersuchung auch nicht mehr die Rede.
Herr G deutet die Widersprüche im Behördenverhalten als Willkür. Er empfindet die Verlegung in den geschlossenen Vollzug als zutiefst ungerecht.
Herr G versucht von Anfang an, sich gegen die Verlegung zu wehren. Als er Hals über Kopf in die andere JVA gebracht wird, gibt man ihm keine Möglichkeit, seine Sicht der Dinge vorzubringen. Noch am selben Tag, dem 8. September 2020 legt er Widerspruch gegen die Verlegung ein und beantragt, dass sie gerichtlich überprüft wird. Abgewiesen. Daraufhin stellt er einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit. Den verwirft das Landgericht im Juli 2021 kostenpflichtig als unzulässig. Die Begründung: Da G im Februar 2021 aus der Haft entlassen worden sei, habe sich die Sache erledigt. Ein berechtigtes Feststellungsinteresse sei nicht ersichtlich, weil G keinen Schadensersatzanspruch geltend gemacht habe. Zudem sei die möglicherweise fehlerhafte Herausnahme aus dem offenen Vollzug kein schwerer Grundrechtseingriff.
G reicht noch eine Rechtsbeschwerde beim Oberlandesgericht ein. Auch die wird abgewiesen. Daraufhin wendet sich Herr G an das Team der Bürgerbeauftragten. Zwar dürfen wir die Gerichtsbeschlüsse nicht antasten, aber wir können Herrn Gs Beschwerde dem Justizministerium vortragen. Im März 2022 erhalten wir eine sechs Seiten lange Stellungnahme und das Fazit: Das Vorgehen der Justizvollzugsanstalten sei nicht zu beanstanden.
Wir haken nach und machen auf Widersprüche aufmerksam, fragen, ob dazu Näheres in den Akten steht. Wir bitten um Prüfung, ob es bei Gs Herausnahme aus dem offenen Vollzug Ermessensfehler gab – Alternativen hätten unserer Ansicht nach intensiver geprüft werden müssen. Wäre etwa eine Verlegung in eine JVA möglich gewesen, die ebenfalls einen offenen Vollzug anbietet, aber über freie Einzel- oder Zweibettzellen verfügt? Hätte das Beenden des offenen Vollzugs durch mehr Kommunikation und Transparenz vermieden werden können?
Im November 2022 mailt das Justizministerium eine sieben Zeilen kurze Antwort: Man könne zwar verstehen, dass Herr G „insbesondere die Art und Weise, wie die Herausnahme erfolgte, als ungerecht empfindet“, stellt aber infrage, ob die erbetene Überprüfung „für Herrn (...) zielführend ist“. Immerhin teilt man unsere Einschätzung, dass eine Herausnahme möglicherweise durch Gespräche im Vorfeld hätte abgewendet werden können, und versichert, die JVA dahingehend zu sensibilisieren.
Herrn G reicht das nicht. Wir geben ihm den Hinweis, dass eventuell noch eine Petition an den Landtag weiterhelfen kann, und unterstützen ihn bei seiner Eingabe. Darin bittet er im April 2023 um Feststellung, dass er zu Unrecht aus dem offenen in den geschlossenen Vollzug verlegt worden ist und dass die medikamentöse Behandlung nicht fachgerecht erfolgte. Zudem bittet er um Feststellung, dass ihm deshalb Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld zusteht. Und er bittet darum, ihm eine persönliche Anhörung vor dem Petitionsausschuss zu gewähren. Wir wissen: Gehört werden kann bereits heilsam sein.
Da baut ein Doppelhaus-Nachbar in einer Nacht- und Nebelaktion, jedenfalls ohne die erforderliche Genehmigung durch die Baubehörde, einen Wintergarten bis zur Grundstücksgrenze und sogar darüber hinaus. Aller Protest nutzt nichts: Der Wintergarten darf stehen bleiben. Aber eine Brandmauer muss her. Muss sie? Ein Hin und Her an Gutachten, Bescheiden und Widersprüchen hält den nachbarschaftlichen Konflikt über Jahre am Köcheln. Wann endlich spricht die Behörde das letzte Wort, weshalb braucht sie so lange für ihre Entscheidung?
Raus aus der Schwebe: Durch unsere Intervention rückt ein vor vielen Monaten eingelegter Widerspruch wieder in den Fokus der zuständigen Behörde. Ihr Entscheid hat endlich Klarheit in den seit Jahren schwelenden Streit unter zwei Nachbarn gebracht.
Die beiden Nachbarn sind sich sowieso schon sehr nah, wie das in einem Doppelhaus eben so ist. Doch da baut der eine die Überdachung seiner Terrasse in 2017 zu einem Wintergarten aus und rückt dem anderen dadurch noch mehr auf die Pelle: Dessen Wohn-und Schlafzimmerfenster liegen direkt daneben, nur 80 Zentimeter von der neuen Glaswand entfernt. Hinter der fortan ganzjährig lautes Treiben bis in die Morgenstunden herrscht. Als wäre der Lärm nicht schon genug, leuchten farbige Wechsellichter die Nachbarwohnung taghell aus – in manchen Nächten ist dort an Schlaf nicht mehr zu denken. Weil alles Bitten um Rücksicht nicht fruchtet, schaltet der solchermaßen gestörte Nachbar (Herr N) einen Anwalt ein, der den Wintergartenbesitzer (Herrn W) im November 2019 beim Landratsamt meldet: War diese Nutzungsänderung denn bekannt und erlaubt? Weder noch. Zudem stellt sich heraus, dass Herr W den Brandschutz nicht beachtet hat. Der Wintergarten wird aber trotzdem nachträglich genehmigt.
Dagegen legt Herr N Widerspruch ein, woraufhin das Regierungspräsidium als zuständige Widerspruchsbehörde dem Landratsamt als Entscheidungsbehörde empfiehlt, das Errichten einer Brandmauer anzuordnen. Was im Juli 2021 auch geschieht. Herr N freut sich schon, denn eine solche Mauer würde die Lärm- und Lichtbelästigung deutlich eindämmen. Doch dann legt Herr W ein Gutachten vor, das bescheinigt: Der vorhandene Brandschutz reiche aus. Dieser Einschätzung folgt das Landratsamt im September 2021. Nach Herrn Ns erneutem Widerspruch empfiehlt das Regierungspräsidium im November 2021 dennoch, den Brandschutz nachzubessern. Also doch: Brandmauer. Wogegen nun Herr W im Mai 2022 Widerspruch einlegt.
Nachdem die Widerspruchsbehörde nach einem Jahr immer noch keine Entscheidung getroffen hat, wendet sich Herr N am 25. Mai 2023 an das Team der Bürgerbeauftragten. Die lange Bearbeitungsdauer ist für uns nicht nachvollziehbar, da das Regierungspräsidium ja bereits im Widerspruchsbescheid von Herrn N klar die Notwendigkeit einer Brandmauer bestätigt hat. Auf unsere Nachfrage hin teilt die Behörde Anfang Juni mit, dass der Anwalt von Herrn W Fristverlängerung für eine ergänzende Begründung verlangt hatte und diese folglich erst seit Februar vorliege. Man wolle den Widerspruch nun aber kurzfristig bearbeiten.
Ende Juli schließlich weist die Behörde Herrn Ws Widerspruch zurück und begründet ihre Entscheidung auf vier DIN-A4-Seiten ausführlich. Herr W muss eine Brandmauer errichten.
War die Verkehrskontrolle, der sich Herr D, ein Schwarzer Staatsbürger, unterziehen musste, tatsächlich anlasslos und angemessen? Ein von der Staatsanwaltschaft angestrengtes Gerichtsverfahren konnte immerhin so viel Licht ins Dunkel bringen, dass der angeklagte Polizeibeamte mit einem Freispruch aus dem Gerichtssaal ging und sogar der Betroffene kommentierte: Eine versuchte Nötigung ließ sich nicht belegen. Warum dennoch Zweifel bleiben, weshalb Herrn D zuvor die Hutschnur geplatzt ist und welche Rolle eine Taschenlampe dabei gespielt hat.
Gehört das Fahrrad Ihnen? Es gibt Radfahrerinnen und Radfahrer, die haben diese Frage bei einer Verkehrskontrolle noch nie gehört, und andere hören sie jedes Mal. Bedenklich wird es auch, wenn Menschen überdurchschnittlich oft kontrolliert werden und offenkundig keinen anderen Anlass dafür liefern als ihr Aussehen. Anklagen lässt sich das schwer: Gerichtsverhandlungen sind kaum geeignet, Lebenssachverhalte aufzuarbeiten und Vorverurteilende abzustrafen – denn wie lässt sich ein Beweggrund zweifelsfrei belegen? In diesem Fall sorgte ein strafrechtliches Verfahren immerhin für Öffentlichkeit und brachte ein für viele Mitbürgerinnen und Mitbürger sehr belastendes Problem zur Sprache: Racial Profiling.
2018 hat Herr D angefangen, eine Liste zu führen über die bei ihm durchgeführten Polizeikontrollen: Innerhalb von knapp vier Jahren waren es fünf sogenannte anlasslose Verkehrskontrollen an seinem Heimatort – im Auto, auf dem Fahrrad oder dem Roller –, dazu ungezählte Personenkontrollen an Bahnhöfen inner-und außerhalb von Baden-Württemberg. Ein Vorfall bringt für Herrn D das Fass zum Überlaufen: Ein Polizeibeamter, der ihn bereits 2019 auf eine Art behandelt hat, dass er Beschwerde wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung einlegte, kontrolliert ihn im November 2021 erneut und unterzieht ihn ein weiteres Mal einer Prozedur, die Herr D als unrechtmäßig einstuft. Denn der Beamte versucht, ihm mit einer Taschenlampe in die Augen zu leuchten. Herr D hat schon lange den Eindruck, bei ihm werde stets in eine bestimmte Richtung geforscht – mal geht es um Drogenbesitz und mangelnde Fahrtüchtigkeit, mal um Diebstahl. D ist sicher, dass er zu solchen Verdächtigungen nie Anlass gegeben hat, und erkennt folglich nur den einen Grund: seine Hautfarbe. Das thematisiert er nun. Der Polizist leuchtet ihm weiter ins Gesicht, D dreht den Kopf wieder und wieder weg, doch dann geht der zweite Beamte dazwischen: Er hat die Papiere überprüft und gibt sie Herrn D zurück, die Kontrolle ist beendet. Obwohl diese Kontrolle für Herrn D zu den harmloseren gehört – immerhin musste er weder Urin noch Bluttest über sich ergehen lassen –, legt er eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein. Der Leiter des Polizeireviers antwortet ausführlich, kann aber kein Fehlverhalten erkennen und weist die Beschwerde zurück. Denn der Polizeibeamte habe die Taschenlampe nur verwendet, um wegen der einsetzenden Dämmerung das Kontrollgeschehen auszuleuchten.
Herr D sucht das Gespräch mit der städtischen Antidiskriminierungsstelle. Im Februar 2022 wendet er sich an die Bürgerbeauftragte des Landes und schildert uns die Vorfälle. Es geht ihm sowohl darum, den Einsatz der Taschenlampe bei der Kontrolle im vergangenen November ins rechte Licht zu rücken, als auch darum, endlich eine Antwort auf seine Beschwerde aus dem Jahr 2019 zu erhalten. Und nicht zuletzt berichtet Herr D uns, was er auch bei seiner Dienstaufsichtsbeschwerde angegeben hatte, was dort aber ohne Berücksichtigung blieb: Die Art und Weise, wie die Taschenlampe eingesetzt worden ist, kann jemand bezeugen. Ein Nachbar von Herrn D hat die gesamte Verkehrskontrolle im November 2021 miterlebt.
Wir nehmen Kontakt zu dem Nachbarn auf, bald liegt uns dessen schriftliche Beschreibung des Geschehens vor. Wir recherchieren, um wie viel Uhr die Abenddämmerung an jenem Tag im November begann. Und kommen zu dem Schluss: Zweifelhaft ist, ob es bereits dämmrig und der Einsatz einer Taschenlampe damit begründbar war. Eindeutig aber ist die Aussage des Nachbarn: mehrfaches gezieltes Leuchten in Ds Gesicht.
Anfang April 2022 fassen wir die beiden Vorfälle in einem vierseitigen Schreiben an das Polizeipräsidium zusammen und bitten darum, deren Zweck- und Rechtmäßigkeit zu prüfen und das Auftreten des Beamten zu beurteilen. Für uns besteht Anlass zur Sorge, dass versucht wurde, Herrn Ds Vorwurf zu entkräften, indem das Ausleuchten der Kontrollstelle vorgeschoben wurde. Auch wollen wir wissen, ob es zu dem Vorfall im Jahr 2019 noch Unterlagen gibt und ob Ds damalige Beschwerde geprüft wurde und zu Maßnahmen innerhalb der Polizei geführt hat. Und ob es ähnliche Beschwerden über den Polizeibeamten gibt wie jene von Herrn D. Wir schildern, dass Herr D keine andere Erklärung für die Art und Häufigkeit der Kontrollen finden kann als seine Hautfarbe und der Polizei Racial Profiling vorwirft.
Im Mai erklärt uns das Polizeipräsidium, dass keine Beschwerde Herrn Ds aus dem Jahr 2019 vorliege und die Daten zur damaligen Verkehrskontrolle aufgrund gesetzlicher Fristen bereits gelöscht seien. Unsere Ausführungen habe man weitergeleitet: Die Staatsanwaltschaft solle ermitteln. Die erlässt im beschleunigten Verfahren einen Strafbefehl gegen den Polizeibeamten, der legt Einspruch ein, 2023 kommt es zu einem Gerichtsprozess.
Der Verdacht einer versuchten Nötigung lässt sich im Prozess dann nicht erhärten. Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Anklage auf die Aussagen Herrn Ds und seines Nachbarn, plädiert schlussendlich aber auf Freispruch des Polizeibeamten. Ob es ein Fall von Racial Profiling war, kann nicht geklärt werden. Für Herrn D ist das bitter. Er dankt dem Team der Bürgerbeauftragten für das Engagement, bleibt aber dabei: Er fühlt sich von dem Polizeibeamten nach wie vor rassistisch diskriminiert. Nur beweisen lasse sich das eben nicht.
Das Polizeipräsidium war und ist davon überzeugt, dass alles richtig gelaufen sei – ohne auf offensichtliche Fehler in der Argumentation wirklich einzugehen. Zum Beispiel: Warum kam eine Taschenlampe zum Einsatz, wenn es noch gar nicht dunkel war? Für uns bleiben Fragen offen. Positiv sehen wir, dass das Polizeipräsidium den Vorfall zum Anlass genommen hat, seine Beamtinnen und Beamten hinsichtlich der Durchführung von anlasslosen Verkehrskontrollen zu sensibilisieren.
Ein junger Mann möchte dauerhaft in Deutschland leben und arbeiten. Einen Job hat er schon, die dauerhafte Arbeitserlaubnis fehlt ihm noch. Obwohl er eigentlich Anspruch auf ein Arbeitsvisum für vier Jahre hat, stellt ihm die Behörde nur ein Visum für ein Jahr aus. Den Grund dafür erfährt er nicht – die Frage nach dem Warum bleibt offen, Frust und Enttäuschung sind groß.
Behördenhandeln nachvollziehbar machen! Dieser Fall zeigt: Wenn ein Amt anders entscheidet als beantragt, dann ist es umso wichtiger, beim amtlichen Bescheid auch gleich die Begründung dafür mitzuliefern.
Der junge Mann, wir nennen ihn Herrn Y, lebt seit Anfang 2022 dauerhaft in Deutschland. Er hat einen verantwortungsvollen Job im technischen Support eines weltweit tätigen Solarenergie-Konzerns, er verdient gut – und schafft es neben seiner Vollzeitarbeit, Sprachkurse zu besuchen: Nach anderthalb Jahren, wir sind inzwischen im Juni 2023, hat er die Kurse fürs Sprachniveau A2 abgeschlossen und mit dem Kurs für B1 begonnen.
Vor einem halben Jahr, als sein anfänglicher Aufenthaltstitel ablief, hat Herr Y ein Arbeitsvisum für die Dauer von vier Jahren beantragt. Nach ein paar Monaten bekommt er Bescheid vom Amt für Ausländer-und Staatsangehörigkeitsrecht: Der Antrag sei geprüft, der Aufenthaltstitel vorbereitet. Ihm wird ein Termin genannt, zu dem er bitte persönlich auf dem Amt erscheinen und ein aktuelles Lichtbild, Ausweisdokument und 93 Euro für die fällige Gebühr mitbringen soll. Dort erfährt er dann: Sein Arbeitsvisum gilt nur für ein Jahr. Warum nicht für vier? Das erfährt er nicht. Er will telefonisch bei seiner Sachbearbeiterin nachfragen, aber die, so sagt man ihm, arbeitet inzwischen woanders – und eine andere Ansprechperson könne man ihm nicht nennen.
So nimmt Herr Y Mitte Juni Kontakt zu uns auf und schildert, wie viel Zeit und Nerven ihn der seit anderthalb Jahren andauernde Kampf um verschiedene Aufenthaltstitel kostet. Von den zuständigen Behörden bekomme er keine Hilfestellung und auf Nachfragen meist keine Antwort.
Tags darauf fragen wir unter der allgemeinen E-Mail- Adresse der Ausländerbehörde nach: Wir bitten um Stellungnahme, warum man Herrn Y keine Ansprechperson zuweisen kann und warum das Arbeitsvisum nur auf ein Jahr ausgestellt wurde – gibt es hierfür besondere Gründe?
Nach zwei Wochen meldet sich die Ausländerbehörde bei Herrn Y: Man könne seine Enttäuschung und sein Unverständnis gut verstehen. Durch den Wegfall seiner Sachbearbeiterin sei es zu einem Rückstau gekommen. Aktuell befinde sich die Behörde in einem Transformationsprozess, der vor allem auch das Ziel habe, die Erreichbarkeit wieder deutlich zu verbessern. Man werde Herrn Ys Anliegen klären. Mitte Juli teilt das Amt uns und Herrn Y mit: Für seine Sachbearbeiterin sei noch keine Nachfolge gefunden, deshalb habe man zeitnah keine direkte Ansprechperson zur Klärung von Herrn Ys Rückfragen nennen können. Das bedauere man sehr. Weiter führt das Amt aus, dass von Ausländern, die sich längerfristig oder dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten möchten, eine Integration in Form des Erlernens der deutschen Sprache erwartet werde. Laut Akte lägen der Behörde aber keine Nachweise über den aktuellen Sprachstand von Herrn Y vor. Man gehe davon aus, dass dies der Grund für die lediglich einjährige Verlängerung des Aufenthaltstitels war.
Herr Y legt der Ausländerbehörde die geforderten Sprachzertifikate vor und das Amt versichert, sie bei der nächsten Verlängerungsprüfung zu berücksichtigen. Wenn Herr Y dann die übrigen Voraussetzungen weiterhin erfüllt, könne der Aufenthaltstitel für eine längere Geltungsdauer verlängert werden.
Unser Fazit lautet: Wenn die Behörde bei ihrem Bescheid auch gleich den Grund angeführt hätte, weshalb der Aufenthaltstitel nur für ein Jahr statt für vier ausgestellt worden ist, dann hätte sie bei dem Betroffenen viel Ärger und Frust vermeiden können.
Eine Frau, deren Urgroßeltern in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in die USA ausgewandert sind, kommt zurück in die alte Heimat und stellt einen Antrag auf Einbürgerung. Und wartet fortan auf den Einbürgerungsbescheid. Wartet wochenlang, monatelang, jahrelang. Schließlich ruft sie die Bürgerbeauftragte zu Hilfe – und wartet wieder mehrere Wochen lang. Ein Ausnahmefall.
Wenn ein Antrag liegen bleibt: In diesem Fall kann es helfen, wenn wir die zuständige Behörde um zeitnahe Bearbeitung bitten. Zur Not auch mehrmals.
Im Juni 2021 hat Frau E einen Einbürgerungsantrag gestellt – und bis Juni 2023 wurde darüber keine Entscheidung getroffen. Die Bearbeitung dauert übermäßig lange und für Frau E sieht es so aus, als sei die Einbürgerungsbehörde längere Zeit (jetzt schon sieben Monate lang) untätig geblieben.
Frau E erwähnt, dass sie ein halbes Jahr nach Antragstellung in einen anderen Landkreis gezogen ist. Im Endeffekt habe das aber keine Auswirkung gehabt, da es bei der jetzt zuständigen Einbürgerungsbehörde einen „riesigen Rückstau“ gebe: Ihr Antrag sei zu anderen Anträgen vom Juni 2021 gelegt worden und der Sachbearbeiter habe erst im September 2022 – 15 Monate nach Antragstellung – begonnen, ihn zu bearbeiten. Ende Oktober spricht Frau E persönlich bei ihm vor, Anfang November hat sie nochmals Mailkontakt. Dann folgen mehrere Telefonate, bei denen Frau E von ihm hört: Er sei noch nicht dazu gekommen, den Antrag zu bearbeiten; der Antrag stehe auf seiner To-do-Liste; der Antrag sei noch in Bearbeitung. Dann erzählt ihr der Sachbearbeiter, dass er den Antrag, wenn er ihn einmal bearbeitet haben wird, noch seiner Chefin vorlegen und danach ans Regierungspräsidium schicken müsse. Da wird es Frau E zu bunt: Wenn nach so langer Zeit noch nicht einmal der Sachbearbeiter fertig ist, kann es ja noch ewig dauern, bis eine Entscheidung getroffen ist!
Anfang Juni 2023 schreibt sie uns über das Kontaktformular unserer Homepage an und fragt: Ob wir in Erfahrung bringen könnten, wie lange die Bearbeitung ihres Antrags noch dauern wird? Ausdrücklich formuliert sie die Erwartung, dass wir das Verfahren nun beschleunigen – eine so lange Bearbeitungszeit halte sie für nicht mehr zumutbar. Wir fragen bei der Einwanderungsbehörde nach: Liegt der Antrag von Frau E schon beim Regierungspräsidium oder gibt es noch Klärungsbedarf?
Zwei Wochen später bestätigt die Behörde uns gegenüber, dass tatsächlich sehr hohe Rückstände angefallen seien – bedingt durch die Corona-Pandemie, den Fachkräftemangel und die zunehmend komplexeren Verfahren. Hinzu komme, dass derzeit sehr viele Anträge bei der Behörde eingingen. Obwohl bereits massiv Personal eingestellt worden sei, könnten Anträge erst über 12 Monate nach Antragstellung in Bearbeitung genommen werden. Das werde jedoch bald besser: In wenigen Wochen würden weitere Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter die Behörde verstärken.
„Im vorliegenden Fall gehe die Verzögerung aber auch darauf zurück, dass in Frau Es Fall mehrere Besonderheiten zu beachten waren. Es handelte sich um einen Antrag auf Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG, als Abkömmling deutscher Staatsangehöriger und nicht etwa um eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG. Zudem strebte Frau E diese Einbürgerung „unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit“ an – sprich: Frau E will eine doppelte Staatsbürgerschaft. Kein Standardfall also, zumal ihre erste Staatsangehörigkeit kein EU-Land betrifft: Es seien besondere staatsangehörigkeits- und verfassungsrechtliche Recherchen erforderlich gewesen.“ Zudem habe es durch den Umzug von Frau E einen Zuständigkeitswechsel gegeben. Nach Rücksprache mit dem Sachbearbeiter könne man uns aber mitteilen, dass alle Unterlagen vorliegen und über den Antrag voraussichtlich in den kommenden Wochen entschieden werde. Für uns hört sich das zwar nicht nach Endspurt an, aber immerhin scheint die Zielgerade in Sicht.
Weitere vier Wochen später – es ist inzwischen Mitte Juli – haken wir nach, denn Frau E hat immer noch keinen Bescheid. Ende Juli legt die Behörde nochmals dar, weshalb bei Frau Es Einbürgerung besonders zeitaufwendige Recherchen notwendig waren, und teilt mit: Man habe nun eine Entscheidung getroffen und werde Frau E in den kommenden Tagen zur Aushändigung ihrer Einbürgerungsurkunde einladen. Dies geben wir umgehend an Frau E weiter.
Durch unseren Einsatz konnte also ein zügiger Abschluss erreicht werden. Frau E muss bei der Behörde zwar noch ein weiteres Mal nachfragen, doch am 17. August 2023 ist es tatsächlich so weit: „Ich wurde eingebürgert!“, mailt Frau E und schickt uns „ein riesiges Dankeschön für Ihre kompetente und professionelle Unterstützung, Ihre zeitnahen Antworten und Ihre freundliche Art. Idealerweise wäre mein Fall anders gelaufen, damit ich mich gar nicht an Sie hätte wenden müssen, aber im Leben läuft ja nicht alles immer ideal und ich bin dankbar, dass Sie in dieser Zeit der Not da waren!“